Nepal gilt als exotisches Reiseland. Jedoch ist das Land schwer gezeichnet: In dem 2006 beendeten Bürgerkrieg sind nach einer Bilanz der Regierung 16.274 Menschen ums Leben gekommen. Viele der 50.000-70.000 internen Flüchtlinge wagen sich immer noch nicht wieder zurück in ihre Dörfer. 2015 folgten die starken Erdbeben. Dabei verloren mehr als eine halbe Million Menschen ihr Hab und Gut. Demzufolge wuchsen die Armenviertel rasant an. Viele leben noch immer dort, weil es für sie keine Perspektive für eine bessere Wohnsituation gibt. Die versprochene Hilfe von der Regierung blieb aus.
In den Slums von Kathmandu ist die Organisation „Chhimeki Sanstha Nepal“ tätig geworden. Das Selbsthilfenetzwerk von Frauen für Frauen kümmert sich vor allem um junge Mütter und die Ernährung ihrer Säuglinge und Kleinkinder und hat inzwischen sechs Krabbelstuben eröffnet. Dort werden 159 Kleinkinder im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren und deren Mütter betreut. Die Kinder bekommen pro Tag drei vollwertige Mahlzeiten, sauberes Wasser und ruhigen Schlaf. Sie können singen, spielen und einfach nur Kind sein. „Chhimeki“ ist Nepali und heißt Nachbarschaft. Gemeinsam den schwierigen Alltag meistern, soziales Denken und Handeln zu fördern und das Selbstwertgefühl der Mütter zu stärken, sind Ziele des Netzwerkes.
Fünf Frauen sind fest bei Chhimeki angestellt. Sie koordinieren alle Aktivitäten und sind für die gesamte Verwaltung zuständig. Hinzu kommen 24 Betreuerinnen in den sechs Krabbelstuben. Darüber hinaus wird die Arbeit von mehr als 1200 Frauen ehrenamtlich unterstützt.
Nun kann mit Hilfe der Stiftung 100 und der Georg Kraus Stiftung auch eine Mahlzeit für rund 200 Kleinkinder angeboten werden. Das macht die Einrichtung deutlich attraktiver für die oft noch sehr jungen Mütter. Viele Familien haben Schwierigkeiten ihren Alltag zu meistern und die Kinder zu versorgen und ausreichend zu ernähren. Die Mütter bezahlen pro Monat 1000 Nepal-Rupien, umgerechnet etwa 8 Euro. 92 Prozent der Mütter oder Väter sind Tagelöhnerinnen, nur 8 Prozent der betreuten Familien haben eine regelmäßige Arbeit. Zahlreiche Familien leben nach wie vor noch in Bauruinen. Die Schäden der beiden großen Erdbeben in 2015 sind überall noch sichtbar.
Einmal im Monat werden die Kinder gewogen und der Wert dokumentiert. So kann man die Entwicklung genau verfolgen. Insgesamt wurden 115 Kinder von einem Arzt untersucht. 66 Prozent der Kinder haben an Gewicht zugenommen. In der Regel haben die Kleinen erst nach einem Jahr ihr Normalgewicht erreicht. Das ist eine sehr lange Zeit und zeigt, wie dringend diese Hilfe benötigt wird.
Chhimeki wird nach wie vor nicht von der nepalesischen Regierung unterstützt. Jährlich reichen die Frauen einen Antrag zur Unterstützung ein. Bis jetzt leider ohne Erfolg. Nur durch Spendeneinnahmen und die Unterstützung der Stiftung 100 und der Georg Kraus Stiftung können die Krabbelstuben und andere Aktivitäten von Chhimeki aufrechterhalten werden.
Der Zugang von Frauen zu Bildung ist in Nepal viel geringer als der von Männern. Chhimeki Sanstha Nepal ermöglicht den Frauen aus den Armenvierteln von Kathmandu eine Ausbildung zu Schneiderin. In der Regel haben diese Frauen keine oder nur eine sehr geringe schulische Bildung genossen, die meisten arbeiten als Tagelöhnerinnen ohne gesichertes Einkommen.
In Nepal, insbesondere in städtischen Gebieten, sind Arbeitsplätze in den Bereichen Mode, Design, traditionelle Kleidung und Nähen ein wachsender Markt. Die Frauen, die eine Ausbildung zu Schneiderin absolviert haben, sind in der Lage sich anschließend selbständig zu machen und ihr Einkommen und somit ihre Lebenssituation zu verbessern.
Eine Ausbildung stärkt zudem die Stellung der Frau in der Familie und der Nachbarschaft. Die Frauen gewinnen an Selbstbewusstsein, die Rolle der Frau in der nepalesischen Gesellschaft verändert sich langfristig positiv.
Der Verein war auch in der Corona-Krise aktiv. In den Armenvierteln von Kathmanduwaren die Ausmaße der Pandemie bedrohend. 85 % der Familien hatten aufgrund der monatelangen Ausgangssperre ihren Arbeitsplatz verloren und sind in noch größere Not geraten. Die Menschen hatten in der Regel keinen Zugang zu sauberem Wasser. Eng gedrängt lebten sie in kleinen Räumen zusammen. Der Alltag machte es nicht leicht, die Maßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung von Corona einzuhalten. „Chhimeki Sanstha Nepal“ durfte unter erschwerten Bedingungen 172 Familien mit Hilfsgütern versorgen. Die Hilfspakete für jede Familie enthielten hochwertige Babynahrung, medizinische Gesichtsmasken, Desinfektionsmittel und Seife. Er leistete auch wichtige Aufklärungsarbeit: Was bedeutet Corona und wie kann ich mich davor schützen?
Da in Nepal, insbesondere in städtischen Gebieten, Mode ein wachsender Markt ist, startet Chhimeki in 2023 ein weiteres Ausbildungsprojekt für Frauen im Bereich des Schneiderhandwerks. Nach dreimonatiger Lernphase beginnt ein sechsmonatiges Training “on the Job”: Die angehenden Näherinnen produzieren bereits für den Markt. In den letzten drei Monaten werden die Frauen auch auf ihre künftige Selbständigkeit vorbereitet und dabei fortlaufend unterstützt. Auf dem Arbeitsmarkt ist inzwischen auch ein amtliches Zertifikat erforderlich, welches die Absolventinnen nach Abschluss der Ausbildung erhalten. Mit einer fundierten Ausbildung haben die Frauen noch mehr Chancen auf eine gesicherte Zukunft.